Ambulante Intensive Begleitung (AIB) - Ein Ansatz für eine innovative Praxis in der Jugendhilfe

Willy Klawe

 

Das Institut des Rauhen Hauses für Soziale Praxis (isp) in Hamburg hat in den Jahren 1998 bis 2002 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ein bundesweites Pilotprojekt durchgeführt, das die Wirkungsweise eines Ansatzes erproben und Bedingungen für eine Implementation in das bundesdeutsche Jugendhilfesystem beschreiben sollte, der in den Niederlanden seit einigen Jahren mit Erfolg praktiziert wird. In fünf Kommunen, den Städten Dortmund, Leipzig Magdeburg, Nürnberg und dem Landkreis Harburg, arbeiteten vierköpfige Teams sozialpädagogischer Fachkräfte - angeleitet und beraten vom isp - nach einem für den deutschen Kontext modifizierten und weiterentwickelten Konzept jeweils drei Monate sehr intensiv mit auffälligen Jugendlichen mit unterschiedlichen Problemlagen. Während das isp für die inhaltliche und methodische Ausgestaltung des Ansatzes, die kontinuierliche Begleitung des Prozesses durch regelmäßige Beratung, Supervision und Fortbildung der Fachkräfte sowie die Evaluation der jeweiligen Implementationsbedingungen an den Standorten verantwortlich zeichnete, fand - zeitlich versetzt - durch das Deutsche Jugendinstitut (DJI) eine Follow-up-Studie durch Befragung von beteiligten Jugendlichen und ausgewählter Netzwerkpartner statt.

Strukturelle Rahmenbedingungen der Arbeit

Seit mehr als zehn Jahren wird in den Niederlanden mit auffällig gewordenen Jugendlichen nach einem netzwerkorientierten Ansatz gearbeitet, der sich dort nach Evaluationen der Vrije Universiteit Amsterdam als überaus erfolgreich erwiesen hat. Grundannahme der nach diesem Ansatz arbeitenden Teams, wie den Nieuwe Perspectieven-Teams in Amsterdam, ist die These, dass Jugendliche auffällig geworden sind, weil sie ihre sozialen Netzwerke verlassen haben bzw. von diesem nicht genügend Unterstützung erfahren haben. Neben einer schnellen und konkreten Bewältigung aktueller existenzieller Alltagsprobleme steht daher die Reintegration in das bisherige Netzwerk bzw. dessen Neuaufbau im Vordergrund.

Ausgehend von dieser Grundannahme und den Erfahrungen in den Niederlanden wurde vom isp ein innovativer Ansatz entwickelt, der einerseits anschlussfähig ist an die aktuellen Diskussionen um die Weiterentwicklung der Jugendhilfe und andererseits den Strukturen und Anforderungen der Jugendhilfelandschaft und des Kinder- und Jugendhilfegesetztes in Deutschland gerecht wird.

Die Ambulante Intensive Begleitung (AIB) ist ein Angebot der Jugendhilfe im Rahmen der ambulanten Hilfen bzw. der Jugendsozialarbeit. Sie wird für Jugendliche und junge Erwachsene angeboten. Eine genau definierte Zielgruppe für AIB wird nicht vorgegeben.

AIB wird in einem Team von vier sozialpädagogischen Fachkräften angeboten. Das AIB-Team organisiert weitgehend autonom die Begleitungen und kooperiert mit dem institutionellen Netzwerk. AIB ist zeitlich auf drei Monate befristet und unterscheidet sich dadurch grundsätzlich von anderen (ambulanten) Maßnahmen. Die Verlängerung von AIB über den Zeitraum von drei Monaten ist dann möglich, wenn die Jugendlichen den vorgegebenen Zeitrahmen unterbrechen müssen. Die Gründe für diese "Auszeiten" sind begrenzt auf: Kuren, Krankenhausaufenthalte, Drogen-Entzug, Urlaub, Haft sowie Auszeiten, die mit dem AIB-Team individuell vereinbart werden.

AIB verläuft grundsätzlich in drei Phasen: Kontakt-, Intensiv- und Kontrollphase. Kontakt- und Intensivphase zeichnen sich durch intensive Kontakte zu dem Jugendlichen und seinem sozialen Umfeld aus. Der Übergang von der ca. zweiwöchigen Kontakt- zur Intensivphase wird durch einen Vertrag zwischen den Jugendlichen und den AIB-MitarbeiterInnen gekennzeichnet. Während der Kontakt- und Intensivphase werden die Jugendlichen kontinuierlich und intensiv von einem Mitarbeiter begleitet. Maximal werden drei Jugendliche in der Intensivphase von einem AIB-Mitarbeiter begleitet. Bestandteil der Begleitung ist eine "Rund-um-die-Uhr-Ansprechbarkeit", die in Krisensituationen von den Jugendlichen genutzt werden kann.

Der AIB-Ansatz wird entgegen der niederländischen Konzeption nicht lokal (stadtteilbezogen) begrenzt, sondern regional (in der gesamten Kommune oder großen Teilen der Stadt) angeboten. Die lokale Zuständigkeit der Teams wurde in der Praxisphase aufgegeben, um die Auslastung der AIB-Teams mit "Fällen" zu gewährleisten und dadurch eine Erprobung des Ansatzes zu ermöglichen. Eine lokale Zuständigkeit ist jedoch weiterhin wünschenswert. Sie bietet die Vorteile einer intensiveren, da kleinräumigen Netzwerkarbeit und Ressourcenorientierung.

AIB ist eine (zeit-)intensive Arbeitsform mit einer zeitlichen Befristung. Dies wird ermöglicht durch:

  • den hohen Zeitaufwand für die Jugendlichen und ihr soziales Umfeld (es stehen ca. neun Stunden pro "Fall" in der Woche zur Verfügung).

  • das möglichst tägliche Aufsuchen der Jugendlichen und der Netzwerkpartner in ihrem Umfeld.

  • die zeitnahe Dokumentation der Fallarbeit und der Netzwerkaktivitäten u.a. mit Hilfe eines speziell entwickelten EDV-Programms.

Das AIB-Team arbeitet mit einem Netzwerk professioneller Helfer aus verschiedenen Institutionen zusammen. Gemeinsam versuchen sie, in möglichst kurzer Zeit für die einzelnen Jugendlichen "passende" Lösungen zu entwickeln. Dieses institutionelle Netzwerk entwickelt sich im Laufe der Praxisphase weiter. In bestimmten Abständen werden Netzwerktreffen organisiert, auf denen über den Verlauf von AIB informiert wird und die zur Diskussion spezifischer, in Zusammenhang mit AIB auftretender Probleme genutzt werden können.

Arbeitsweise und Methoden der Ambulanten Intensiven Begleitung

AIB verfolgt das Ziel, Jugendliche in ihrem sozialen Umfeld ohne weitere unterstützende Jugendhilfemaßnahmen zu stabilisieren und (weiteres) auffälliges Verhalten zu vermeiden. Die konkreten individuellen Ziele von AIB werden zwischen den Jugendlichen und den AIB-MitarbeiterInnen ausgehandelt. Im Mittelpunkt der Zielformulierung steht die Lebenswelt der Jugendlichen, die dort einem gelungenen Alltag entgegenstehenden Probleme und Konflikte und die in diesem Kontext realisierbaren Ziele. Eine individuelle wie auch soziale Stabilisierung der Jugendlichen wird auf zwei Ebenen verfolgt:

  1. Netzwerk: Die AIB-MitarbeiterInnen bauen während der Begleitung mit jedem Jugendlichen ein Netzwerk individueller und (semi-)professioneller Helfer (Vips: Very Important Persons) auf. Die Vips erklären sich bereit, den Jugendlichen über den dreimonatigen Begleitungszeitraum hinaus zu unterstützen. Die Größe des Netzwerkes und seine Zusammensetzung variieren von Fall zu Fall.

  2. Problemlösungen: Die AIB-MitarbeiterInnen entwickeln gemeinsam mit dem Jugendlichen Lösungen für die existenzielle Grundsicherung und für die anstehenden sozialen Konflikte und planen mit ihm zusammen die Veränderung seiner Lebensbedingungen. Die notwendigen Lösungsschritte werden mit den Jugendlichen individuell erarbeitet und am Ende der Kontaktphase in einem Vertrag möglichst schriftlich formuliert.

Beide Aktionsebenen sollen im Verlauf der AIB zu einer Sicherung der existenziellen Lebensbedingungen führen. Das individuelle Netzwerk soll im Anschluss an AIB die Funktion übernehmen, diese Lebensbedingungen zu unterstützen.

Das für diesen Klärungsprozess notwendige lösungsorientierte Handeln wird gewährleistet durch:

  • die Bestimmung der problematisch erlebten Lebensbereiche zu Beginn der AIB und die Formulierung von Zielen und Schritten zur Lösungen der Probleme in Absprache mit den Jugendlichen.

  • die Klärung aktueller Konflikte im sozialen Umfeld der Jugendlichen.

  • die Benennung von Vips und die Formulierung von Vereinbarungen zwischen Jugendlichen und Vips zur Absicherung der Unterstützung.

Der AIB-Ansatz wechselt kontextabhängig zwischen "Betreuungsimpulsen" (Angebot schneller Problemlösungen, Intensität des Kontaktes, Rufbereitschaft) und Sozialarbeit als Vermittlung von Kontakten/ Hilfestellungen (Netzwerk- bzw. Ressourcenarbeit). Entscheidend für einen erfolgreichen AIB-Verlauf ist es, die "professionelle Gewichtung" zwischen diesen Formen des Kontaktes zu halten. Die Befristung des Kontaktes sowie die frühzeitige Hinwendung zu den Netzwerkpartnern ermöglichen ein intensives, aber abgegrenztes sozialpädagogisches Vorgehen.

Der kontinuierliche Kontakt zwischen den Jugendlichen und den AIB-MitarbeiterInnen endet mit Abschluss der Intensivphase nach drei Monaten. In der Kontrollphase werden die Kontakte mit dem Jugendlichen zwei, sechs und 18 Monate nach Beendigung der Intensivphase wieder aufgenommen. Ziel der erneuten Kontaktaufnahme ist es,

  • festzustellen, wie stabil die Jugendlichen sind, ob das Netzwerk genutzt wird und ob eine weitere Intensivphase erwünscht wird;

  • konkrete Hilfestellungen zu vermitteln (gegebenenfalls durch eingeschränkte Interventionen);

  • auf Netzwerkpartner und Ressourcen aufmerksam zu machen, die den Jugendlichen nach Beendigung der Intensivphase möglicherweise zur Verfügung stehen.

Die Bearbeitung neuer Probleme soll vermieden werden, um AIB nicht indirekt in eine langfristige ambulante Hilfe zu überführen.

Der aktuelle Stand nach Beendigung der Erprobungsphase

Die Implementierung in die kommunale Jugendhilfe wurde erfolgreich beendet. Alle Standorte haben die Integration von AIB in ihr Angebot über den Projektzeitraum hinaus vollzogen, wobei die strukturelle Anbindung von AIB an die Jugendhilfe unterschiedlich ausgefallen ist. Die AIB-Teams bleiben auch nach dem Projekt bestehen und haben inzwischen ihre Praxis professionalisiert. U.a. ist das daran erkennbar, dass die Zahl der Abbrüche von Ambulanten Intensiven Begleitungen beständig sinkt.

Nach ersten Einschätzungen in der Kontrollphase durch die MitarbeiterInnen der AIB-Teams bleiben die Jugendlichen auch in den Monaten nach Beendigung von AIB stabil. Nur in wenigen Einzelfällen wurde bisher eine zweite AIB-Maßnahme angeboten. Von den Jugendlichen, die AIB begonnen hatten, beendeten 64% die Maßnahme, 28% brachen AIB ab; die restlichen 8 Prozent waren zum Zeitpunkt der Erhebung noch in der Maßnahme. Im Vergleich zu anderen Formen ambulanter Hilfe ist diese Abbruchquote eher niedrig. In einer aktuellen Studie zum Verlauf von HzE-Manahmen (Schmidt 2000) wird z.B. für die Sozialpädagogische Einzelfallhilfe eine Abbruchquote von 43% genannt. Der Prozentsatz der Jugendlichen, die im Anschluss an AIB in keine weiteren Hilfen zur Erziehung vermittelt werden, beträgt über den Gesamtzeitraum 79%. Im letzten Jahr der Projektsphase stieg der Anteil sogar auf 86%. Wenn es zu Anschlusshilfen kam, handelte es sich meistens um ambulante Hilfen, nur in vier bzw. zwei Prozent kam es zu einer stationären Unterbringung.

Im folgenden sollen einige Ergebnisse des Projektes in Thesen vorgestellt werden, die die Bedeutung des neuen Ansatzes für die Jugendhilfe, sowie die Möglichkeiten und Grenzen seiner methodischen Umsetzung umschreiben sollen.

1. AIB entspricht den Anforderungen einer lebensweltorientierten Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit und kann darüber hinaus als Impulsgeber auf die Gestaltung der gesamten kommunalen Jugendhilfe genutzt werden.

Netzwerke und Ressourcen in dem sozialen Umfeld der Jugendlichen sind bei AIB die Schlüssel zur individuellen Stabilisierung. Soziale Unterstützung und Empowerment sind zentrale Bestandteile einer lebensweltorientierten Jugendhilfe, die ohne diese Elemente nicht realisierbar wäre: Lebensweltorientierung wird in der Ambulanten Intensiven Begleitung jedoch nicht nur als eine Deutungsebene des pädagogischen Handelns verstanden, sondern ist Konzept und Handlung in einem. Legt man Lebensweltorientierung, so wie sie Thiersch (1992) definiert hat, als Maßstab an AIB an und versteht sie als die Bezugnahme auf die gegebenen Lebensverhältnisse der Adressaten und als die Bezugnahme auf individuelle, soziale und politische Ressourcen sowie auf soziale Netze und lokale/ regionale Strukturen, so lässt sich damit das Anliegen und das sozialpädagogische Handeln der AIB sehr treffend beschreiben.

Grenzerfahrungen im Umgang mit "schwierigen" Jugendlichen, Diskussionen um die Fortschreibung der Jugendhilfe wie auch Sparvorgaben haben dazu geführt, dass die Jugendämter sich auf die Suche nach Konzepten begeben haben, die sich dem Umfeld der Jugendlichen öffnen und vorhandene Hilfekapazitäten bündeln. Eine Möglichkeit, diese Umorientierung in der Jugendhilfe zu bewerkstelligen, ist der strukturelle Umbau der Hilfeplanung im Sozialraum. In der Praxis soll diese sozialräumliche Orientierung vor allem zu einer Stärkung der Netzwerke und einer Orientierung der Hilfen an den Ressourcen im sozialen Umfeld der Jugendlichen führen - Ziele, die auch AIB verfolgt. Im Gegensatz zu einer strategisch-organisatorischen Vorgehensweise (Stichwort "Budgetverantwortung") wird durch AIB versucht, über kleine Verbünde und orientiert an Einzelmaßnahmen netzwerk- und ressourcenorientiert zu arbeiten. AIB kann daher in der Jugendhilfe auch dafür genutzt werden, Netzwerk- und Ressourcenorientierung schon jetzt konsequent umzusetzen und die Praxis in Richtung sozialräumlichen Handelns weiterzuqualifizieren.

2. Innerhalb der zeitlichen Befristung von drei Monaten lassen sich wirksame individuelle Unterstützungskonzepte umsetzen.

Mit AIB ist eine ambulante Hilfeform mit einer zeitlichen Befristung eingeführt worden, wie es sie bisher in vergleichbaren Hilfen nur bei den sog. Family-First-Programmen (Gehrmann/ Müller, 2001) gegeben hat. Hierin liegt der radikalste Unterschied zu den bisherigen Hilfeformen. Die Strukturiertheit des Ansatzes und seines methodischen Vorgehens, hier vor allem die Zeitbefristung, die Definition der Problembereiche und das lösungsorientierte Vorgehen, tragen unserer Einschätzung nach entscheidend dazu bei, innerhalb der vorgegebenen Zeit die Ziele erreichen zu können. Gleichzeitig bietet die Befristung des Kontaktes und der Ablauf in vorgegebenen Phasen den AIB-MitarbeiterInnen eine klare Zeitschiene, an der sich das Alltagshandeln orientieren kann und muss. Dies erfordert eine Revision der professionellen Haltung.

Hinterfragt wurde immer wieder, ob sich in diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum von ca. 90 Tagen (drei Monaten) die vorgegebenen Ziele verwirklichen lassen (im Vergleich dazu: die durchschnittliche Dauer anderer ambulanter Hilfeformen liegt laut einer Hamburger Untersuchung [Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung 1999] z.B. bei 256 Tagen für Erziehungsbeistandschaften oder bei 337 Tagen für Sozialpädagogische Familienhilfen). Nach Einschätzung der MitarbeiterInnen der Teams lassen sich innerhalb der Zeit die anstehenden Probleme der Jugendlichen so weit bearbeiten, dass sie sich nach Beendigung von AIB in einer Lebenssituation befinden, in der sie ohne weitere Hilfen zur Erziehung ihr Leben bewerkstelligen können. Die meisten Jugendlichen halten laut Nachfragen durch die AIB-MitarbeiterInnen in den so genannten Kontrollphasenkontakten, d.h. erst einmal nach zwei und sechs Monaten, weitgehend die wieder gewonnene Stabilität in den verschiedenen als problematisch benannten Lebensbereichen.

AIB ist dabei jedoch keine Wunderwaffe. Besonders Jugendliche, die schon lange in krisenreichen Lebenssituationen gelebt haben, sind anfällig für wenig gradlinige Lebensverläufe. Dies gilt auch nach AIB. Mit dem Thema der Nachhaltigkeit von AIB und damit verbunden mit der Frage, wie sich die weiteren Lebensverläufe nach Beendigung von AIB gestalten, beschäftigt sich ausführlich die Follow-up-Studie, die das Deutsche Jugendinstitut durchführt.

3. Eine erfolgreiche AIB-Praxis führt zu einer Änderung der professionellen Haltung in der Sozialarbeit.

Sichtweisen auf Probleme und Jugendliche wie auch das Verständnis von Hilfe unterscheiden sich von denen in gängigen Hilfeformen und erfordern eine andere professionelle Einstellung gegenüber dem Hilfeprozess und dessen Gestaltung. Diese Haltungsänderung, die nicht nur in den AIB-Teams, sondern auch bei den zuweisenden Stellen und bei den Jugendlichen selbst nachvollzogen werden muss, war eines der zentralen Themen während der gesamten Erprobungsphase. Soziale Arbeit ist eng verknüpft mit Haltungen, die auf einem Betreuungsansatz durch professionelle Helfer beruhen. Hilfe wird dementsprechend über und in Institutionen organisiert; das Vertrauen in die heilende Wirkung des häufig als "schwierig" erlebten sozialen Umfeldes ist eher gering und muss erst erworben werden. Dieser Haltungswechsel kann erst dann gelingen, wenn die Ressourcen des sozialen Umfeldes der Jugendlichen als solche wahrgenommen und bewertet werden und der professionelle Blick nach draußen gerichtet ist.

4. AIB kann als Ergänzung der bestehenden Hilfeformen in die Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit implementiert und integriert werden.

In allen Standorten, den Städten Dortmund, Leipzig, Magdeburg, Nürnberg und dem Landkreis Harburg, sind Formen der Hilfeplangestaltung und Trägerkonstruktionen gefunden worden, die eine konzeptgetreue und erfolgreiche Umsetzung des AIB-Ansatzes auch langfristig möglich machen. Die Ambulante Intensive Begleitung lässt sich dabei unter Berücksichtigung der kommunalen Besonderheiten in die Angebotspalette der Jugendhilfe integrieren. Alle fünf beteiligten Standorte haben sich entschlossen, AIB als Hilfeform weiterzuführen und in ihr Regelangebot - zumeist im Kontext des Hilfekanons des KJHGs nach §§27ff. - zu integrieren. Verschiedene langfristige Finanzierungsformen (Fallpauschalen, Projektfinanzierungsformen, Budgets) sind möglich und lassen eine vergleichbar kostengünstige Hilfegestaltung zu, sofern AIB als Hilfeform von den zuweisenden Stellen anerkannt und genutzt wird. AIB wird damit über die Erprobungsphase hinaus weiterhin seine Position in der deutschen Jugendhilfelandschaft behaupten können und müssen. Damit ist es auch möglich, an Themen, die bisher zurückgestellt oder nur ansatzweise realisiert worden sind, weiterzuarbeiten, wie eine lokale - kleinräumige - Anbindung der AIB-Teams, die bisher nicht in dem Maße gelungen ist, wie sie ursprünglich geplant war.

Literatur

Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB) (Hg.), 1999: Redlich, Alexander, Hanno Winckelmann, Universität Hamburg: Evaluation der ambulanten Hilfen zur Erziehung. Hamburg

Möbius Thomas, Klawe, Willy (Hrsg.), 2003: AIB - Ambulante Intensive Begleitung. Handbuch für eine innovative Praxis in der Jugendhilfe, Weinheim, Berlin, Basel

Gehrmann, Gerd, Müller, Klaus D., 2001: Praxis Sozialer Arbeit: Familie im Mittelpunkt, Effektives Krisenmanagement für Familien. Regensburg

Schmidt, Martin H., 2000: Neues für die Jugendhilfe? Ergebnisse der Jugendhilfe-Effekte-Studie, in: Deutscher Caritasverband e.V. und Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen e.V. (BVkE) (Hg.). Freiburg/Breisgau

Thiersch, Hans, 1992: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. München und Weinheim

Autor

Willy Klawe, Diplomsoziologe, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut des Rauhen Hauses für Soziale Praxis (isp) und Dozent an der Ev. Fachhochschule für Sozialpädagogik.

Adresse

Willy Klawe
ISP
Beim Rauhen Hause 21
22111 Hamburg
Tel.: 040/6510413
Email: klawe.isp@rauheshaus.de

Hinweis

Veröffentlicht am 05.01.2003